- Yourcenar
- Yourcenar[jursə'naːr], Marguerite, eigentlich M. de Crayencour [krɛjã'kuːr], französisch-amerikanische Schriftstellerin, * Brüssel 8. 6. 1903, ✝ Mount Desert Island (Maine) 18. 12. 1987; entstammte dem belgisch-französischen Adel, erhielt eine klassisch-humanistische Bildung und betrieb geschichtliche, philosophische und mathematische Studien, unternahm zahlreiche Reisen (u. a. nach Italien, in die Schweiz, nach Griechenland und in den Orient), übernahm Lehraufträge an verschiedenen Universitäten in den USA und wurde 1947 amerikanische (seit 1980 auch erneut französische) Staatsbürgerin. 1981 wurde sie als erste Frau Mitglied der Académie française. Mit ihren psychologisch fundierten Romanen, die in Stoff und Gehalt wesentlich von der Antike geprägt sind und deren stilistisches Vorbild G. Flaubert ist, erneuerte sie den französischen historischen Roman: Am bekanntesten wurde »Mémoires d'Hadrien« (1951; deutsch u. a. »Ich zähmte die Wölfin«); diese fiktiven Memoiren des römischen Kaisers Hadrian bilden eine spannungsreiche Mischung von Reflexionen über Politik, Kunst, Philosophie, Religion und dem Psychogramm eines einsamen Herrschers, der seine Welt bedroht sieht. »L'œuvre au noir« (1968; deutsch »Die schwarze Flamme«) thematisiert die Lebensgeschichte eines Renaissancegelehrten vor dem Hintergrund der geistigen Auseinandersetzungen der Epoche und eröffnet zugleich den Blick auf die Gegenwart. Ihr bis zum Ende des Ersten Weltkriegs reichendes (auto)biographisches Werk »Le labyrinthe du monde« (Band 1: »Souvenirs pieux«, 1973, deutsch »Gedenkbilder«; Band 2: »Archives du nord«, 1977, deutsch »Lebensquellen«; Band 3: »Quoi? L'éternité«, 1988, deutsch »Liebesläufe«) spiegelt das eigene Leben und die Suche nach der eigenen Identität, eingebunden in eine Familienchronik und einen regionalen, psychologischen und sozialen Kontext. Yourcenar engagierte sich für die Verteidigung der Menschenrechte, für Friedenssicherung und Umweltschutz und gab, betroffen vom Schicksal der Afroamerikaner, eine von ihr ins Französische übersetzte Anthologie von Negrospirituals heraus (»Fleuve profond, sombre rivière«, 1964). Außerdem übersetzte sie u. a. Virginia Woolf, H. James, J. Baldwin, K. Kavafis und Mishima Yukio ins Französische.Weitere Werke: Lyrik: Feux (1936; deutsch Feuer); Les charités d'Alcippe et autres poèmes (1956).Romane: Alexis ou le traité du vain combat (1929; deutsch Alexis oder der vergebliche Kampf); La nouvelle Eurydice (1931); Denier du rêve (1934; deutsch Eine Münze in neun Händen); Les songes et les sorts (1938); Le coup de grâce (1939; deutsch Der Fangschuß).Erzählungen: Nouvelles orientales (1938, erweitert 1963; deutsch Orientalische Erzählungen.); Comme l'eau qui coule (1982); Un homme obscur (1985).Essays: Mishima ou la vision du vide (1981; deutsch Mishima oder die Vision der Leere); Le temps, ce grand sculpteur (1983); En pèlerin et en étranger (herausgegeben 1989).Dramen: Électre ou la chute des masques (1954); Théâtre, 2 Bände (1971).Biographie: Pindare (1932).G. Jacquemin: M. Y. (Lyon 1985);
Universal-Lexikon. 2012.